Lesehund Sam – Treuer Begleiter für Bücherwürmer
Lesehund Sam lauscht Elena (v.l.), Antonio und Daniel. Frauchen Astrid Kaufmann hat das Wohl des Vierbeiners im Blick. Foto hbz/Judith Wallerius
Astrid Kaufmann von Funkelstern e.V. unterstützt mit Sam Kinder bei ihrem Weg in die Welt der Buchstaben
MAINZ, 20. September 2016 – Er wird an diesem Morgen schon sehnlichst in der Ludwig-Schwamb-Schule erwartet – der Berner Sennenhund Sam. Nicht nur, dass er ein liebevoller und kinderlieber Kuschelhund ist, seit Jahren hat er in der Mainzer Grundschule außerdem ein besonderes Amt inne: er ist der Lesehund. Was das bedeutet und wie er vor vier Jahren zu seinem Beruf kam, verrät Besitzerin Astrid Kaufmann.
Nachdem sie vor 15 Jahren mit kriegstraumatisierten Kindern in Montenegro gearbeitet hatte, wusste Astrid Kaufmann, dass sie sich auch in Deutschland sozial engagieren und etwas bewirken wollte. So gründet die ausgebildete Shiatsutherapeutin vor über sechs Jahren gemeinsam mit einer Freundin den gemeinnützigen und ehrenamtlichen Verein Funkelstern e.V.
Seitdem besuchen die beiden Frauen Mutter-Kind-Einrichtungen und erzielen mit Shiatsu-Behandlungen für Mütter und ihre Babys schnell Erfolge. Sie entwickeln neue Ideen und gehen an Schulen, um dort mit den Kindern zu arbeiten.
An einem Sonntag vor rund vier Jahren war Astrid Kaufmann mit Hund Sam im Gonsenheimer Wald unterwegs und wurde dort von einer schwedischen Familie angesprochen. „Die Kinder waren begeistert von Sam, und die Eltern erzählten mir, dass er sie an die Lesehunde in Schweden erinnere.“ Noch am gleichen Abend recherchierte Astrid Kaufmann im Internet über das Projekt Lesehund und stieß in Deutschland auf Kim Grobholz aus München. Sie hatte den Lesehund aus den USA nach Deutschland gebracht.
Mit ihr nahm die zweifache Mutter umgehend Kontakt auf und reiste kurze Zeit später nach München. Mit im Wagen: Sam. „Kim Grobholz war sofort begeistert von Sam und auch von meiner Idee, in unserer Region einen Lesehund an Schulen zu bringen.“ Was muss ein Lesehund haben? „Er muss lieb sein, er darf keinerlei Aggression zeigen, um keine Gefahr für die Kinder darzustellen. Und er sollte gleichzeitig einen starken Charakter haben, keine Angst zeigen, wenn 40 Kinder auf einmal auf ihn losrennen.“ Nach einem Tag Ausbildung durch Kim Grobholz in Mainz begann Astrid Kaufmann vor vier Jahren mit Sam als neuem Lesehund. Auch an diesem Morgen kommen aus allen Ecken Sam-Rufe der Kinder, und es ist deutlich zu spüren, wie vertraut sie mit dem haarigen Freund sind. Am heutigen Tag darf die vierte Klasse von Lehrerin Frauke Harig mit Sam lesen. Alle Kinder, die vom Lesehund Sam Besuch bekommen, lernen zuvor ein paar Regeln im Umgang mit einem Hund kennen. Nicht zu viele Kinder auf einmal sollen ihn streicheln. Außerdem sollen sie ihn nicht am Schwanz ziehen oder Sam stören, wenn er etwas frisst, und ihn nicht überfordern.
Gemeinsam mit Astrid Kaufmann und Sam macht die ganze Klasse eine kleine Aufwärmübung aus dem Shiatsubereich, bei der sich alle Kinder selbst ganz leicht ihre Meridiane abklopfen. Im Anschluss daran wählt die Lehrerin drei Kinder aus, die mit Sam in den benachbarten Leseraum gehen dürfen. Elena, Daniel und Antonio sollen Sam an diesem Morgen vorlesen. Die Situation im Leseraum ist rührend: im Wechsel lesen die drei eine Geschichte vor. Dabei ist ihnen ganz wichtig, dass Sam auch wirklich jeden Satz mitbekommt und die Bilder zur Geschichte sieht. So halten sie ihm immer wieder das Buch vor die Hundeschnauze, um ihm den Verlauf der Geschichte zu zeigen.
Sam ist sichtlich entspannt. Zwischen Astrid Kaufmann und den Kindern hat er es sich bequem gemacht und hört zu. „Wichtig ist, dass ich Sam nicht überfordere, und das ist mein Part bei den Lesestunden“, erklärt Astrid Kaufmann weiter. „Ich beobachte Sam die ganze Zeit, ob er entspannt ist oder eventuell eine Pause braucht. Ich achte während der Besuchszeit in der Schule auf Sam und sein Wohlergehen.“ Lehrerin Frauke Harig kommt auch für ein paar Minuten im Leseraum dazu. Sie ist immer wieder begeistert von dem Phänomen Lesehund, „Sam begleitet uns nun schon viele Jahre, und er hat Einiges bewirkt. Kinder, die sich in der Klasse nicht trauen, laut vorzulesen und oft eine entsprechende Leseschwäche aufzeigen, lesen vor dem Hund, als gäbe es nichts Schöneres. Es ist teilweise nicht zu glauben, was ein Hund bewirken kann. Mit ihm ist es viel ruhiger, die Kinder sind sehr empathisch, möchten, dass es ihm gut geht. Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie sie sich Sam öffnen.“